Ostwind. An Energie gewinnen.
Die Meyer Gemüsebearbeitung GmbH in Twistringen bei Bremen will sich mit eigenem Windrad und Stromnetz von hohen Energiepreisen unabhängig machen. OSTWIND zeigt dabei, wie man eine Windkraftanlage für einen besonderen Standort konzipiert und sie in das komplexe Energiekonzept eines energieintensiven Unternehmens einpasst.
Die Kälte braucht nur Sekunden, dann ist sie durch Jacke, Pullover, Hemd hindurch und beißt sich in die nackte Haut. „Minus 22 Grad“, sagt Laurenz Meyer in das Rauschen der Kühlung hinein. Um ihn herum stapeln sich mehr als 11.000 Paletten voller Lebensmittel und warten auf die Lieferung zu Kundinnen und Kunden. Die Tiefkühllager sind so hoch wie ein vierstöckiges Haus und groß wie ein Fußballfeld. Hier lagert schockgefrostetes Obst und Gemüse: Karotten, Bohnen, Kartoffeln. Aber auch Rhabarber, Erdbeeren und Sauerkirschen.
„Eigentlich wollen wir nur Gemüse bearbeiten“, sagt Laurenz Meyer schmunzelnd. Er ist Inhaber und Geschäftsführer der Meyer Gemüsebearbeitung GmbH südlich von Bremen. „Aber das geht heutzutage nicht mehr“. Meyer muss sich mehr als andere Unternehmer auch um eine günstige und sichere Stromversorgung kümmern. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Windenergie.
Acht große Tiefkühlhäuser stehen am Stammsitz von Gemüse Meyer. Hier lagern eingefrorene Feldfrüchte, die im Spätsommer und Herbst in der Region geerntet wurden. Sie wurden frisch bearbeitet und warten nun darauf, dass sie im kommenden Frühjahr und Sommer angefordert werden – egal, ob gerade Erntezeit ist oder nicht. Die Kühlhäuser und der ganze Betrieb ziehen dabei jede Menge Strom – bis zu 10 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Das entspricht etwa dem Jahresverbrauch einer Stadt mit 8.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Der Anteil der Energiekosten an sämtlichen Ausgaben beläuft sich bei Gemüse Meyer auf stolze 10 Prozent, rund fünf Mal mehr als bei weniger energieintensiven Unternehmen des Mittelstandes.
Anstatt nur bei Energieversorgungsunternehmen einzukaufen, macht Gemüse Meyer den Strom darum selbst: Am Rande des Betriebs steht ein neues Windrad, das pro Jahr 7 bis 8 Millionen Kilowattstunden Strom bereitstellen wird – und damit rund 70 Prozent des Stroms, den die Kühlhäuser und Maschinen von Gemüse Meyer brauchen.
Für dessen Planung und Einbindung in die Stromversorgung war die Regensburger OSTWIND-Gruppe mit ihrer neuen Niederlassung in Bremen verantwortlich. „Wir haben gleich gemerkt, dass OSTWIND nicht nur hohe Kompetenz in Planung, Errichtung und Betriebsführung von Windkraftanlagen mitbringt“, schwärmt Laurenz Meyer, „sondern als mittelständisches Unternehmen auch unsere Sprache spricht.“ Er verweist in diesem Zusammenhang auf Qualitäten wie Professionalität, Pragmatismus und Termintreue, die sein eigenes Unternehmen auszeichnen würden und die er auch in der konkreten Zusammenarbeit mit OSTWIND zu schätzen gelernt habe.
Die neue Windenergieanlage ist jetzt der wichtigste Teil eines Zukunftsprojekts, das auf energetische Selbstversorgung ausgelegt ist. Ein Windrad, das ein Unternehmen direkt mit Strom versorgen kann, gibt es sonst nur bei Großkonzernen wie BMW, Audi und VW. Hier aber konnten wir für ein mittelständisches Unternehmen arbeiten, das sich schon heute darauf einstellt, eine unabhängige Stromversorgung aufzubauen. Allein die Planung der Anlage – eine Vestas V112 mit einer Leistung von 3,45 Megawatt und einer Gesamthöhe von 150 Metern – war dabei etwas Besonderes.
Bei einer Anlage in einem Industriegebiet macht das Immissionsschutz- und Baurecht ganz andere Vorgaben als in den sonst üblichen Eignungsgebieten für Windenergie. Beispielsweise sind die Vorschriften zum Abstand von den Gebäuden und der nahen Bahntrasse so eng gewesen, dass es bei der Wahl des genauen Standorts am Ende um jeden einzelnen Meter gegangen ist. Und um für diesen Standort die am besten geeignete Windkraftanlage auszuwählen, hat OSTWIND alle am Markt verfügbaren Typen analysiert, um schließlich bei der Vestas V112 zu landen. Alles in allem ein perfekter Einstieg für OSTWIND in Niedersachsen – mit Gemüse Meyer als überzeugende Partnerin an der Seite und einem innovativen Gesamtkonzept als Grundlage.
Die Feldfrüchte, die bei Gemüse Meyer bearbeitet werden, kommen meist aus der Gegend rund um den Standort Twistringen. In den 70er Jahren hatte Landwirt Hans Meyer hier damit begonnen, einen Teil der Kartoffeln seines Bauernhofes direkt an Krankenhäuser und Bundeswehrkasernen zu verkaufen, und dazu die ersten Reinigungs- und Schälmaschinen angeschafft. Heute leiten seine Kinder und Enkelkinder die Meyer Gemüsebearbeitung GmbH, die von allen kurz Gemüse Meyer genannt wird.
Die Landwirtschaft hat die Familie aufgegeben, dafür beschäftigt sie inzwischen 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jährlich werden rund 70.000 Tonnen Frischwaren von den Feldern der Region in den hohen, weißen Gemüse-Meyer-Hallen bei Twistringen eingelagert. Die Trecker liefern zum Beispiel Karotten in hoch beladenen Anhängern an – herauskommen bei Gemüse Meyer am Ende gestiftelte, gewürfelte oder in Scheiben geschnittene Karotten, die bei minus 40 Grad schockgefrostet wurden und schließlich an Lebensmittel verarbeitende Unternehmen gehen.
„Hier auf dem Land sind die Stromnetze schwach. Es war für unseren Betrieb schon immer eine Herausforderung, zu jeder Zeit genügend sichere Energie zu bekommen“, sagt Laurenz Meyer, einer der Söhne des Gründers. So wurde eine betriebseigene Kläranlage für das Wasser, mit dem Obst und Gemüse gesäubert werden, in Verbindung mit einer Biogasanlage für Strom und Wärme gebaut; Solarstromanlagen kamen hinzu. Und mit dem neuen Windrad produziert Gemüse Meyer übers Jahr gesehen genauso viel Strom in Erneuerbaren-Energien-Anlagen, wie die riesigen Kühlhäuser und die ganze Produktion verbrauchen.
Dominik Willkommen, zuständig für das Energiemanagement, will aber noch mehr. In Zukunft soll ein eigenes, intelligentes Stromnetz selbständig erkennen, welche Anlagen gerade wie viel Strom produzieren und wo dieser Strom im Betrieb eingesetzt werden kann. „Da sind wir absolute Vorreiter und arbeiten mit Hochdruck an diesem Projekt. Aber für die Vorreiterrolle gibt es keine Angebote von der Stange, wir müssen sogar unsere Software für das System selber entwickeln“, erklärt Willkommen. Den überschüssigen Strom will der Energiemanager dazu nutzen, um die Lagerhäuser phasenweise auf bis zu minus 26 Grad herunterzukühlen, um so überschüssige Energie in Form von Kälte zu speichern.
Für OSTWIND ist das die Zukunft. Gerade in der Kombination von Kühlhäusern und Erneuerbaren sehen wir ein sehr hohes Potenzial, um die Schwankungen in der Energieproduktion auszugleichen. Das macht auch ökonomisch Sinn! Denn der Strom von herkömmlichen AnbieterInnen wird in Zukunft teurer werden. Mit eigenen Erzeugungsanlagen wie der neuen Windenergieanlage und einem geschlossenen Energiekonzept habe Gemüse Meyer hier rechtzeitig vorgesorgt.
Davon ist auch Dominik Willkommen überzeugt, weil so die Energieversorgung von morgen für Unternehmen funktioniere. „Was die Bundesregierung mit Sektorenkopplung oder auch Smart Grids im Großen plant, machen wir hier im Kleinen schon mal vor“, so Willkommen, „und das gerne auch weiterhin in Zusammenarbeit mit OSTWIND.“